Der Deutsche Lehrerverband Hessen (dlh) für die Möglichkeit einer Stellungnahme zum oben genannten Entwurf des Kerncurriculums und bittet um Verständnis für die verspätete Abgabe. Da es nur wenige Informatiklehrkräfte in Hessen gibt und diese beruflich aktuell durch die Corona-Pandemie und die Digitalisierung stark eingespannt sind, haben die Rückmeldungen etwas Zeit in Anspruch genommen.
Zum vorgelegten Entwurf:
Vorab bemerkt: Der vorgelegte Entwurf für das Kerncurriculum kommt in einer Unzeit der Pandemie. Eine Rückmeldung zu geben fällt im Detail schwer, da die Kolleginnen und Kollegen derzeit mit Sorgen und Nöten derart überlastet sind und teilweise schlicht das Verständnis für eine Beschäftigung damit fehlt. Dies trifft aus Sicht des dlh z. Zt. insbesondere die (Informatik-Fach)Kolleginnen und Kollegen, die durch die Administration und unterstützende Tätigkeiten vor Ort vielfach, auch schon in Zeiten vor der Pandemie, nicht genügend entlastet wurden und werden.
Der dlh ist sich bewusst, dass ein Entwurf für ein Kerncurriculum Informatik Sek I schon einige Jahre in der Bearbeitung ist und zugleich in der Öffentlichkeit durchaus der Wunsch besteht, das Fach Informatik und die informatorische Grundbildung zu stärken. Dieser Wunsch ist durch die Pandemie und hier insbesondere durch die Distanzbeschulung sehr verstärkt worden.
Es zeigt sich beim vorgelegten Entwurf, der ausschließlich für den gymnasialen Bildungsgang konzipiert ist, dass Haupt- und Realschulen nicht bedacht werden. Dies berücksichtigt, nach Auffassung des dlh, die Bildungsbedürfnisse derjenigen Kinder und Jugendlichen in den anderen Bildungsgängen, auch unter dem Aspekt der Chancengerechtigkeit, nicht.
Einen großen Bedarf in allen Schulformen bzgl. informatischer Grundbildung sieht der dlh als gegeben an. Dieser befähigt die Schülerinnen und Schüler zum Erschließen weitreichender systematischer Kenntnisse und Fertigkeiten. In diesem Sinne genügt allein angelerntes (Bediener-)Wissen über Informatiksysteme nicht. Informatische Grundbildung stellt somit eine Grundlage auch für andere Fächer dar, welche es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, den informatikspezifischen Umgang mit Informatiksystemen zu erlernen (siehe auch S. 4 „Beitrag des Faches zur Bildung“). Insbesondere in den Klassenstufen 5 und 6 ist es hier aus Sicht des dlh sinnvoll, diese Grundkompetenzen zu stärken.
Der dlh merkt an, dass sich im vorgelegten Entwurf fachliche Ungereimtheiten befinden. Ein Beispiel sei an dieser Stelle angeführt:
„(S15) überführen mit Hilfe des euklidischen Algorithmus Dezimalzahlen in Binärzahlen und umgekehrt (P2, P3)“
Auf weitere Beispiele, die sich auch in der Ausdrucksweise und den entsprechenden Formulierungen wiederfinden, soll an dieser Stelle verzichtet werden.
In den Themenfeldern gibt es, wie dem dlh bekannt wurde, teils erhebliche Änderungen zu früheren Versionen. Die größten Unterschiede im vorliegenden Entwurf, der nur für den gymnasialen Bildungsgang konzipiert wurde, seien an dieser Stelle aufgeführt.
- Das Themenfeld „Grundlagen Datenbanken“ ist im Entwurf nicht (mehr) enthalten.
- Es erfolgt eine deutliche Erweiterung des Themenfeldes „HTML“ zu „Internet und HTML“, welches damit aus Sicht des dlh überfrachtet wird.
- Im Themenfeld „Kryptologie“ erscheint der inhaltliche Schwerpunkt HTTPS-Verschlüsselung für die Sek I als Überforderung der Schülerinnen und Schüler und ist damit nicht angemessen. Diesen ist nach Ansicht des dlh eher für die Sek II geeignet.
- In „Grundlagen der Programmierung“ werden Teile zusammenhangslos dargestellt und bedürfen der Konkretisierung mit Inhalten.
- In „Bildbearbeitung“ werden grundlegende Begriffe und Konzepte einer Bildbearbeitung nur am Rande thematisiert.
Insgesamt erscheint der Entwurf noch nicht ausgewogen, da viele Themen und Inhalte vernachlässigt bzw. nur angedeutet werden. Gerade die Informatik lebt durch aktuelle Themen wie bspw. „Big Data“ und „Künstliche Intelligenz“.
Durch den Entfall der Bindung an die Kerncurricula konnten die Struktur des Entwurfes und die Lesbarkeit deutlich erleichtert werden. Zum Erstaunen des dlh fand sich der Begriff „Modellierung“ nur an einer einzigen Stelle im Entwurf. Damit wird der Stellenwert der Modellierung, den viele Didaktiker als Kern der Schulinformatik ansehen, in diesem Entwurf nicht deutlich.