Arbeitsbelastung
Reduzieren. Entlasten. Fokussieren.
Wer kennt es nicht: Es ist Mittwochabend, 20:30 Uhr. Der Tag war lang, die Gesamtkonferenz hat wieder einmal den zeitlichen Rahmen gesprengt, die eigenen Kinder waren wieder die letzten, die aus dem Kindergarten abgeholt wurden. Nach dem Einkaufen, Abendessen und Zu-Bett-Bringen des Nachwuchses ist endlich Zeit für den Schreibtisch.
Die letzte Englisch-Arbeit der Klasse 6c muss noch korrigiert, der Unterricht für den morgigen Tag vorbereitet werden und der Blick fällt auf den Kalender. Nächste Woche sind die Förderpläne fällig. Morgen will sich das Klassenteam mit der Förderschullehrkraft zusammensetzen. 4 Kinder mit vorbeugenden Maßnahmen, 3 Kinder mit inklusivem Beschulungsstatus. Für alle gilt es die Förderpläne fortzuschreiben. Beim Blick in die Dienstmails ploppen 5 Mails von Eltern auf.
Die Schulleitung will am Freitag eine Dienstbesprechung im Anschluss an den Unterricht durchführen. Der Konrektor teilt mit, dass morgen Lehrkräfte zu Vertretungszwecken einspringen müssen. Die Freistunde ist hin.
Am Freitag hat sich die Schulpsychologin angekündigt. Im Lehrkräftekalender liegen noch zwei Beobachtungsbögen für Schüler, die gerade medikamentös eingestellt werden, die ausgefüllt werden müssen. Dringend geschrieben werden müssen auch noch zwei schriftliche Missbilligungen wegen einer mutwillig verstopften Schultoilette.
Die Belastungen und Anforderungen im Schulalltag haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Lehrkräftemangel haben in deutschen Schulen tiefe Spuren hinterlassen.
Mehrere Umfragen zeigen inzwischen eine alarmierend hohe Arbeitsbelastung bei Lehrkräften. Eine überwältigende Mehrheit der Pädagoginnen und Pädagogen empfindet das Kollegium und sich selbst derzeit als stark oder sehr stark belastet. Für mehr als drei Viertel der Lehrkräfte ist Wochenendarbeit zur Regel geworden, und die Möglichkeit zur Erholung in der Freizeit ist für die Mehrheit kaum noch gegeben. Diese hohe Arbeitsbelastung bleibt nicht ohne Folgen: Über die Hälfte der Lehrkräfte leidet häufig unter körperlicher Erschöpfung und Müdigkeit. Fast die Hälfte der Lehrkräfte kämpft mit innerer Unruhe und Nackenschmerzen, während ein Drittel unter Schlafstörungen leidet.
Neben dem Kerngeschäft „Unterricht“ gilt es im Alltag täglich eine Fülle an Aufgaben, die wir bewältigen müssen, die mit Pädagogik und Didaktik aber wenig zu tun haben und viel mehr unter die Rubriken „Bürokratie“ und „Zusatzbelastung“ fallen. Dabei ist ein Abbau dieser Aufgaben dringend notwendig, damit genug Zeit für guten Unterricht bleibt.
Angesichts des Lehrkräftemangels und dieser belastenden Situation erwägt mehr als jede zehnte Lehrkraft, im kommenden Schuljahr weniger zu arbeiten. Lehrkräfte stehen zudem enorm unter Druck. Sie müssen die Digitalisierung im Rekordtempo vorantreiben, Lernrückstände aufholen, einen Fachkräftemangel bewältigen und eine steigende Zahl von geflüchteten ukrainischen Kindern und Jugendlichen sowie aus anderen Krisengebieten in die Schulen integrieren. Fast alle Lehrkräfte sind der Ansicht, dass seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 negative Verhaltensweisen der Schülerinnen und Schüler zugenommen haben. Tatsächlich ist eine deutliche Zunahme von Konzentrations- und Motivationsproblemen zu verzeichnen, verbunden mit aggressivem Verhalten bei den Schülerinnen und Schülern. Hilfsangebote für die Kinder und Jugendlichen, beispielsweise in Form von Schulsozialarbeit, müssen vermehrt in Anspruch genommen werden. Dies betrifft besonders Schulen, in denen mehr als die Hälfte der Schülerschaft eine andere Familiensprache als Deutsch spricht. Aufgrund von Personalmangel und Bildungsferne in den Haushalten erhalten die Schülerinnen und Schüler derzeit nicht die notwendige Unterstützung, um vorhandene Lernlücken zu schließen.
Wir sind der Meinung, dass die Förderung des psychischen Wohlbefindens der Schülerinnen und Schüler wichtiger sein sollte als das strikte Erfüllen der Lehrpläne. Obwohl wir als Lehrkräfte aus Überzeugung unseren Beruf ausüben, sind wir dennoch mit den Herausforderungen und hohen Belastungen konfrontiert. Dennoch sollten wir daran arbeiten, diese Situation zu verbessern
Was wir brauchen, damit wir nicht unter der zunehmenden Arbeitsverdichtung zusammenbrechen:
- Reduzierung der Aufgaben auf das Wesentliche: Zeit für guten Unterricht!
- Klassen- und Kursteiler um 20 % senken!
- Kooperationsstunden für inklusives Arbeiten!
- Förderung des psychischen Wohlbefindens der Schülerinnen und Schüler in den Fokus stellen anstatt der strikten Erfüllung der Lehrpläne!
- Übertragung der Verwaltungs- und Organisationsaufgaben auf Verwaltungsfachkräfte!
- Recht auf voraussetzungslose Teilzeitanträge bis zu einer Reduzierung von 4 Stunden!
- Mehr förderpädagogische, psychologische und sozialpädagogische Ressource zur Unterstützung der Lehrkräfte der allgemeinen Schule!
- Abbau von Bürokratie und ein Ende der Konzeptflut!
- Erhöhung der Schuldeputate!
- Wiedereinführung der Altersteilzeit!
- Korrekturtage für Abschlussprüfungen!
- Professionellen IT-Support für alle Schulen!
- Reduzierung der Wochenarbeitszeit!
Claus Eschenauer, Kerstin Mück
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